Acoustic Dreams: Lietz Guitars WB Style C – Wenn der Holzwurm Träume hätte
Thorsten Sven Lietz ist ein Liebhaber historischer Gitarren und fertigt detaillgetreue Neuauflagen davon an. Sein Portfolio ist speziell: Klassik- und Flamenco-Gitarren hat er ebenso im Programm wie Steelstrings und Lapsteels …
Thorsten Sven Lietz baut neben „normalen“ Gitarren auch Modelle nach Art von Weissenborn. Das sind jene Gitarren, die komplett hohl sind, inklusive des klobigen Halses, und überdies flach auf dem Schoß liegend gespielt werden.
Ursprünglich hat der 1902 aus Deutschland emigrierte Hermann Weissenborn – zumindest zu Beginn – in erster Linie konventionelle Instrumente gebaut: Gitarren, Ukulelen. Später kam dann auch die bekannte Weissenborn mit dem hohlen Hals hinzu.
Vorlage für die WB Style C war ein Exemplar von 1925. Es dürfte sich dabei um das Modell Style B handeln, eine kleine Parlor mit Fensterkopfplatte. Thorsten Lietz hat ungeachtet historischer Vorlagen, Mythen und Idealisierungen ein Instrument vorgelegt, das den Tester in allen Belangen überzeugt hat. Für sich eingenommen wäre die noch bessere Formulierung ...
Das fängt schon vor dem Öffnen des Koffers an: Da, wo sonst die Plakette mit dem Logo des Kofferherstellers sitzt, hat Thorsten eine kleine Holzplakette mit eingebranntem Logo angebracht. Klein, fein und eben ein liebevolles Detail. Nach dem Öffnen des Koffers klappt analog zum Deckel die Kinnlade runter, ganz nach dem Motto: Wenn der Holzwurm Träume hätte.
Hier passt alles: traumhafte Hölzer, kein Feilenstrich ging daneben, es findet sich nicht eine einzige matte Stelle im Schellack, die Bünde wurden sauber poliert, und das Ganze wiegt nicht einmal anderthalb Kilogramm. Ein Traum.
Mit Holz begeistert man Gitarristen, das ist beinahe ein Naturgesetz. Dazu zählen neben den altbewährten Augenöffnern wie Riegel- und Vogelaugenahorn auch Koa oder Mahagoni. Lietz weiß das wohl und hat für den kompletten Korpus – also Boden, Decke und Zargen – massives geriegeltes Mahagoni aus Indien verbaut. Ein Wahnsinnsanblick. Die Einfassung des Holz-Purflings rund um die Decke besteht aus Palisander.
In Zusammenspiel mit der tadellosen Schellackpolitur, die mit gefärbtem Schellack ausgeführt wurde, offenbart dieses Holz eine dreidimensionale Optik, die man in dieser Klasse nicht oft zu Gesicht bekommt. Gefärbt hat Thorsten den Schellack mit Drachenblut, dem Harz des Drachenbaums, der in seiner ursprünglichen Form nur auf der Insel Sokotra im Indischen Ozean heimisch war und ein Relikt der Kreidezeit ist.
Hinzu kam das aus Australien stammende Accaroidharz, das unter anderem die Aborigines als Naturklebstoff nutzten. Das Bracing fertigt Thorsten aus Alpenfichte. Da sag’ noch mal einer was gegen die Globalisierung, wenn so ein Instrument dabei herauskommt ...
Der mit Hasenleim befestigte Hals mit seiner attraktiven Fensterkopfplatte inklusive Diamond-Verstärkung am Übergang zum Hals ist mit Waverly-Mechaniken samt Ebenholzknöpfen in der klassisch-offenen Bauform ausgerüstet. Diese sind nicht ganz so präzise wie ihre modernen Geschwister. Ein anderer Mechanikentyp wäre aber angesichts der Vorlage nur schwer in Frage gekommen. Zumal die Waverlys ihren Dienst akkurat verrichten.
Der Stabilität kommt zugute, dass unter dem Griffbrett aus Ebenholz ein Karbonrohr eingelassen wurde, das als Trussrod fungiert und einem klimatisch bedingten Verziehen des Halses effektiv entgegenwirken dürfte.
Die WB Style C ist schnell in Stimmung gebracht. Ist das passiert, steht ein erster offener E-Dur-Akkord im Raum. Dann blickt man verwundert auf seinen Schoß, denn was aus diesem kleinen Korpus kommt, ist überraschend. Nicht die Qualität, denn ehrlich gesagt war das angesichts der gebotenen Qualität in Sachen Holzauswahl und Handwerk quasi zu erwarten, sondern die schiere Lautstärke!
Die WB hat einen Bumms – das könnte beinahe eine Dreadnought sein. Dabei ist sie nicht aufdringlich, sondern gibt ihre Register trennstark, differenziert und raumgreifend wieder. Fingerpicking mit strammen und knackigen Bässen und obendrauf eine Melodie mit akzentuierten Mitten und silbrig-glitzernden Höhen gelingen ebenso wie sattes Flatpicking-Spiel, das von den präzisen Mitten und der kraftvollen Wiedergabe profitiert.
Das bleibt hängen
Thorsten Lietz hat sich seinen Ruf als Fachmann für Neu-Interpretationen historischer Instrumente redlich verdient, das zeigt die WB Style C in Reinkultur. Handwerkliche Ausführung und klangliche Ergebnisse sind erstklassig. Diese Gitarre ist ein federleichtes Trauminstrument, das keine Wünsche offen lässt.
Text: Stephan Hildebrand
Modell Thorsten Sven Lietz WB Style C
Herkunft Essen, Deutschland
Boden/Zargen geflammtes Mahagoni, massiv
Decke geflammtes Mahagoni, massiv
Hals Mahagoni mit Karbonrohr
Griffbrett Ebenholz
Steg Koa
Sattel Knochen, 44 mm
Bünde 19 Medium
Mensur 63 cm
Hardware Waverly, offen, verchromt, Ebenholzknöpfe
Linkshänder auf Anfrage
Empf. VK-Preis ab 3.800,- € inklusive Koffer
Weitere Informationen unter Internet www. www.lietzguitars.de
Erschienen in guitar acoustic 6/17 – hier bestellen!